Es ist Samstag Abend und ich arbeite. Aber, wie schon Roger Schawinski wusste: Who cares? Zwar habe ich zwei der drei nachfolgenden Bücher an dieser Stelle schon kurz erwähnt, doch will ich nochmals gesammelt drei Werke empfehlen, deren Lektüre eine hervorragende Übersicht über die Berliner Technoszene liefert. Ich schreibe - ganz nebenbei, nicht? - meine Masterarbeit zu diesem Thema. Sauglatt, nicht, nicht?
Anfangen würde ich wohl mit dem neuesten Buch 'Der Klang der Familie', welches die zeitlich am weitesten zurück liegende Phase abdeckt: vor und insbesondere nach dem Mauerfall 1989. Die Autoren Denk und von Thülen haben Zitate aus zahlreichen Interviews zu einer sehr schön lesbaren Collage vereint. Mit diesem Buch erhält man ein lebhaftes Bild der Anfänge. Back to the roots.
Nach einer Verschnaufpause, die wird für die Lektüre des zweiten Buches nötig sein, folgt Anja Schwanhäußers Ethnografie der Szene: 'Kosmonauten des Underground'. Die Autorin leistet eine wunderbar tiefgreifende Beschreibung eines sehr relevanten und charakteristisch prägenden Teils der ganzen Berliner Szene für elektronische Musik: der im Stadtraum umherschweifenden, driftenden Akteure des Techno-Underground. Eindrücklich wie sie Fäden verknüpft - Urbanität, Postmoderne, Bourdieu und das Neue Kleinbürgertum, Drogen, Subkultur. Man könnte die Aufzählung noch lange weiterführen. Ein fantastisches Buch, basierend auf ihrer Dissertation an der Humboldt. Nach der Lektüre hat man ein reiches und wertvolles Verständnis der Szene. (P.S.: was zur Abrundung aus heutiger Sicht fehlt ist sicherlich das schwule Element. Ostgut/Berghain und so.)
Damit kann nun das letzte und zweifellos bekannteste der drei Bücher in Angriff genommen werden. Es stammt vom angesehenen Journalisten Tobias Rapp und beschreibt vorwiegend die Entwicklungen der Nullerjahre. Natürlich kann man das leicht verdauliche und unterhaltsame Buch 'Lost and Sound' auch für sich genommen lesen. Im Dreierpack jedoch rundet sich das Bild erst richtig ab. Denn: wir reden von einer kontinuierlichen Entwicklung. Eines geht ins Andere. Alles macht Sinn.
Nach der Darlegung der Anfänge, einem detaillierten Blick in die Seele der Szene sowie einer Fortschreibung der Entwicklungen in den 2000er Jahren will ich nun versucht sein, ebenfalls einen den Zeitgeist fassenden und daran anknüpfenden, bedauerlicherweise bescheidenen Beitrag zu leisten: die Koordinierung und Regelung der Clubszene im Spannungsfeld der städtischen Entwicklung. Die Troika von Clubbetreiber, Politiker und Beamten - mit dem vermeintlichen Intermediären zwischendrin. Denn eins ist klar: Berlin befindet sich im stetigen Wandel. Die Stadt wird bürgerlicher und die Szene, die einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Herausbildung des famosen Neuen Berlins hatte - und immer noch hat - sieht sich, wieder mal und in zunehmendem Maße, bedroht. Im Hintergrund sprechen wir von Kämpfen um und Spielen im Stadtraum. Was passiert, was ist zu tun?