Sonntag, 6. Mai 2012

Urban Gardening in Berlin


Urban Gardening ist derzeit in aller Munde. Kürzlich strahlte sogar das ZDF eine Diskussionssendung zum Thema aus. Und wenn alle schon darüber diskutiert haben - dann kommt noch der Berner. Ja, so sind wir: dynamisch und herrlich. Aber das ist eine altbekannte Tatsache, noch älter als Urban Gardening. Weil Urban Gardening aber wirklich etwas ist, was auch ein Berner erfunden haben könnte, möchte ich mich dem Thema doch auch noch widmen. Wie? Ich stellte meiner Freundin und urbanen Gartenexpertin (sie hat eine Masterarbeit zum Thema verfasst) fünf Fragen.

1) Wie unterscheidet sich urbanes Gärtnern von den bekannten Schrebergärten und vom berüchtigten Guerilla Gardening?

Ich verstehe urbanes Gärtnern als Sammelbegriff für die verschiedenen Formen gärtnerischer Aktivitäten in der Stadt. Die Kleingärten einerseits entstanden um die Jahrhundertwende und unterscheiden sich von den urbanen Gemeinschaftsgärten m. E. vor allem durch ihr Verhältnis zur Stadt: Sie waren schon immer – und sind es heute noch – kleine Fluchten aus der Stadt. Im Gegensatz dazu verstehen sich die Gemeinschaftsgärten andererseits klar als einen Teil der Stadt und sind fast immer auch sehr politisch. In den Gemeinschaftsgärten wird zudem großer Wert auf das Gemeinschaftliche gelegt. Was jedoch nicht heißt, dass alle Beete gemeinschaftlich bearbeitet werden. Es wird zusammen gegärtnert, geerntet, gefeiert, gekocht oder für bestimmte Anliegen gekämpft. In den Kleingärten ist dies tendenziell weniger der Fall, da dort jeder für seine eigene Parzelle verantwortlich ist. Allerdings findet in den Kleingärten momentan ein Generationenwechsel statt, der das bisweilen biedere Image dieser Gartenform möglicherweise etwas aufbrechen wird. Guerilla Gardening ist wiederum die anarchistische Form urbanen Gärtnerns. Dabei werden, meist des Nachts, öffentliche Flächen oder private Brachen bepflanzt. Die Motivationen der Guerilla Gardener sind dabei ganz unterschiedlich und reichen von politischen bis zu ästhetischen Anliegen.


2) Was zeichnet die von dir untersuchten urbanen Gartenprojekte in Berlin aus?

Allen drei Gärten ist gemeinsam, dass sie auf ihre Weise sehr politisch sind. Die einen verstehen sich vor allem als Bildungsgarten, in dem die Menschen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen sozusagen informell gebildet werden. Anderen geht es eher um Nahrungssouveränität, die Erhaltung der Sorten- und Artenvielfalt, den Kampf gegen Gentechnologie, die Bildung von sozialen Netzwerken oder den Kampf für mehr qualitativ hochwertiges Grün in der Stadt. Zwei der Projekte funktionieren, wie die meisten Gemeinschaftsgärten, auf freiwilliger und unbezahlter Basis. Die Betreiber des dritten Gartens dagegen haben das klare Ziel, dass im Garten auch Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Um die nötigen finanziellen Mittel zu generieren werden hier Gemüse und Kräuter verkauft und im Gartencafé gibt es Getränke, Kuchen und Mittag- sowie Abendessen mit Zutaten aus dem Garten zu kaufen.


Unterschiede zwischen den Gärten sind auch in ihrem Erscheinungsbild auszumachen. Der ‚Prinzessinnengarten’ ist ein mobiler Garten, der jederzeit umziehen kann: Gemüse und Blumen werden in Bäckerkisten, Reissäcken oder Tetrapacks gepflanzt und nicht direkt in den Boden. Ähnlich ist es im ‚Allmende-Kontor’ auf dem Tempelhofer Feld: Hier ist der Boden vom ehemaligen Flugbetrieb so kontaminiert, dass man nicht direkt in den Boden pflanzen darf. Deshalb haben die Gärtnerinnen und Gärtner aus Holz, Badewannen, alten Schränken und Betten, Blumentöpfen, Waschschüsseln und vielem mehr Hochbeete gebaut. Der Garten ‚Ton, Steine, Gärten’ am Kreuzberger Mariannenplatz gleicht am ehesten einem wenn man so will normalen Garten. Auf den gut 1‘000 qm wurde der Boden vom Bezirksamt saniert, so dass auf dem öffentlichen Grundstück in den letzten Jahren ein schöner, dichter Garten entstehen konnte.



3) Was hast du über die Macher und Beteiligten dieser Gärten erfahren?

Die InitiatorInnen sind meist sehr idealistische, politisch aktive und sehr engagierte Menschen, denen das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen liegt. Es handelt sich dabei um gut ausgebildete Leute, meist AkademkierInnen. Auch ein guter Teil der Gärtenrinnen und Gärtner kann dieser Gruppe zugerechnet werden. Allerdings hat jeder Garten – je nach Lage und inhaltlicher Ausrichtung – seine ganz eigene Mischung an Leuten. Meistens sind viele junge Menschen beteiligt, dafür scheint es aus unterschiedlichen Gründen schwierig zu sein, Migrantinnen und Migranten in die Projekte einzubinden.



4) Inwiefern siehst du positive Effekte dieser Gärten auf Stadtviertel oder Städte?

Die Effekte von urbanen Gemeinschaftsgärten auf Städte sind sehr vielfältig und oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Sicherlich stärken sie den Zusammenhalt zwischen den Menschen im Garten und schaffen einen Ort für Begegnungen, die im Alltag nicht zustande kommen würden. Dadurch entsteht ein grösseres gegenseitiges Verständnis, was gerade in Vierteln mit schwächerer Sozialstruktur zu lokaler Verbesserung im Sinne eines gesteigerten Sozialkapitals beitragen kann. Durch die Auseinandersetzungen mit den städtischen Behörden werden die Gärtnerinnen und Gärtner überdies auch für städtische Verwaltungsprozesse sensibilisiert und erhalten dadurch möglicherweise ein besseres Verständnis für die Funktionsweise ihrer Stadt. Sie sehen, dass es möglich ist, auf eigene Faust ein Stück Stadt zu gestalten und einen vormals grauen Ort in einen blühenden Garten zu verwandeln. Das kann die Verwurzelung mit dem Stadtviertel erhöhen und die Bildung einer lokalen Identität fördern; Stichwort bürgerschaftliches Engagement. Auch wenn ein Garten nicht die ganze Stadt verändert, kann er doch sicherlich positive Auswirkungen im Kleinen haben.




5) Warum denkst du sind urbane Gärten überhaupt ein Thema unserer Zeit?

Es gab grundsätzlich schon immer Gärten in der Stadt. Momentan scheinen sich viele Menschen zunehmend für ihre Umwelt aber auch für ihre Ernährung zu interessieren: Woher kommt mein Essen? Was ist gesund? Die Gemeinschaftsgärten bieten in diesem Kontext einen Ort, an dem über solche Themen diskutiert, wo aber auch praktisch gearbeitet und ausprobiert werden kann. Viele Leute suchen womöglich vermehrt nach Verwurzelung und innerer Ruhe. Gleichzeitig beobachtet die Trendforschung die Suche nach grösseren Freiräumen und Autonomie, aber auch eine Suche nach sinnlichen Erlebnissen. Es reicht einer wachsenden Zahl von Leuten nicht mehr, in den Supermarkt zu gehen und sich ein Produkt aus dem Regal zu nehmen. Sie wollen wissen wie etwas hergestellt wurde, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen der Konsum hat. Diese Bedürfnisse können im Garten befriedigt werden. Bei all diesen Betrachtungen darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich bei diesen Leuten, wie bereits oben erwähnt, vor allem um ein gut ausgebildetes, oft akademisches Publikum handelt. Selbstverständlich gibt es auch Gärtnerinnen und Gärtner, die aus weniger gesicherten Hintergründen stammen und das Gärtnern sehr viel pragmatischer betrachten.

Die Fotos stammen allesamt aus dem Berliner Prinzessinnengarten und wurden am 5. Mai 2012 aufgenommen. Die Macher dieses Gartens haben soeben ein eigenes, empfehlenswertes Buch veröffentlicht. Mach die Stadt grün!