Montag, 16. Januar 2012

Loftus Hall Berlin


Letzten Freitag ging ich aus. Das ist eine Schlagzeile wert in diesen Zeiten intensiver Introspektion und auf geistige Routen beschränktes Reisen. Anlass war nicht nur der Besuch von zwei Freunden, sondern ebenfalls die Eröffnung eines neuen Clubs vor ein paar Monaten. Der Name des Clubs: Loftus Hall. Zuerst ein paar keineswegs zynische Worte zur Oberfläche, danach zum Hintergrund.

Wie ich gelesen habe bezieht sich der Name auf ein gespenstisches Schloss in Irland. Ich weiss nicht genau wie die Betreiber auf diesen Namen kommen. Entweder sind sie Iren oder Mystiker oder beides, was ja auch nicht verwunderlich wäre bei diesen verrückten Kelten.



Wie dem auch sei. Der Eintritt ist mit sechs Euro an diesem Abend das, was man üblicherweise fair nennt. Die Getränke sind vernünftig und das Rauchen ist erlaubt - um nicht zu sagen erwünscht. Über das Publikum lässt sich spekulieren, dass es (Stand Januar 2012, Änderungen sind zu erwarten) vornehmlich in der Umgebung wohnt, in Kreuzkölln also oder Neukreuz wie ich es smarterweise zu nennen pflege. Studentisch, dezent alternativ und international könnte man die sympathische Gemeinschaft ebenfalls beschreiben. Der Frauenanteil war an diesem Abend nicht besonders Achtung gebietend, jedoch bei weitem auch nicht armselig, wie das bedauerlicherweise oft genug bei Anlässen der elektronischen Musikszene der Fall ist oder zumindest war. Apropos Musik: Tanzmichmal war der zweifelhafte Name des lokalen DJ-Kollektivs. Ich muss ehrlich sein, ich fand sie öde. Aber das liegt natürlich an meiner psycho-sozialen Verfassung. Doch dazu unten mehr.

Trefflich in der Loftus Hall sind insbesondere zwei Dinge: die Beleuchtung und das Interieur.  Über ersteres will ich nichts sagen, denn ich habe nur noch ein paar Minuten bevor ich meine abendliche Suppe zubereiten will. Das Interieur aber ist von folgender Beschaffenheit: Holzvertäfelung, Gardinen, schummriges Licht, Plastikpflanzen, erbärmliche Möbel. Mit einem Wort: super. So sieht das aus:



Ach Gottchen, da ist mir ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Das oben ist nicht die Loftus Hall in Kreuzkölln. Das ist der Sternen im Schweizer Simmental. Links im Bild sitzt der herrliche "Schibä", ein Weissenburger Urgestein und Experte für Kräuter. Wir waren gemeinsam Bier saufen im Dezember, göttlich. So sieht die Loftus Hall tatsächlich aus:


Nun also ist es soweit. Der Sternen in meinem alpinen Heimattal oder die Berliner Arbeiter-Eckkneipe lassen sich visuell nicht mehr von einem hippen Club unterscheiden. Das musste ja so kommen nach Jahren der Fokussierung auf Industrie. Was sagt uns das? Ich weiss es nicht. Aber vermutlich hängt es mit einem gesellschaftlichen Megatrend zusammen. Die Sehnsucht nach dem Warmen, Überschaubaren; aber auch der schon seit einiger Zeit grassierende Retrowahn. Beschreiben kann ich das nicht, besonders nicht unter Zeitdruck wegen meiner Suppe. Aber ich weiss, dass es für mich alles zusammen passt: Kapitulation des Rationalismus, Schopenhauer, Loftus Hall, Hipster und ihre gänzlich unfuturistische, sondern nostalgische Garderobe. Und wenn man den Faden weiterspinnen will wird Sherry das nächste It-Getränk. Oder ist es das etwa schon und ich Stubenhocker habe es bloss nicht mitgekriegt?

Was mich an dieser Entwicklung bei aller Freude besorgt ist, dass die traditionellen Kunden von Lokalen, die nun eben aussehen wie die Loftus Hall, von einer Plage von Studenten und Hipstern verdrängt werden könnten. Fallbeispiel: Das Bäreneck in Neukölln. Vor zwei Jahren ging man rein, schämte sich und soff sein Bier und war der einzige Nicht-Stammgast. Heute gehst du rein und guckst Fussball mit einer wachsenden Zahl von Jungen sowie den Stammgästen. Ein Idealzustand, eine glänzende Mischung der sozialen Schichten und Schnauzen. In zwei Jahren gehst du rein und es gibt keine Stammgäste mehr - ihr zweites zu Hause wurde ihnen von den Conquistadores weggenommen, die Gardinen dienen nicht mehr dem Sichtschutz sondern verkommen zum bloss noch ästhetisch wertvollen Retrogegenstand.

Ach ja, wie gesagt: Ich fand den House der Tanzmichmal etwas öde. In diesen prächtigen Räumlichkeiten bevorzuge ich Psychemagik. Die runden das Bild ab. Und nicht das ich falsch verstanden werde: ich liebe die Loftus Hall!