Mittwoch, 21. September 2011

Wahlen in Berlin: Kapitalismus


Nicht lange ist es her, da habe ich von den Wahlen in Berlin berichtet. Jetzt sind die Resultate da und ich möchte nochmals auf das Thema zurückkommen, jedoch in möglicherweise etwas abwegiger Art und Weise. Doch der Reihe nach.

Die drei interessantesten Resultate sind:
  • Wowereit bleibt Bürgermeister (bald wohl: "reich, aber immer noch sexy")
  • die Piraten holen in der deutschen Hauptstadt 9% der Stimmen und haben anscheinend zu wenig Personal um diese 9% zu besetzen
  • die unsägliche NPD holt mit 2,1% mehr Stimmen als die FDP mit 1,8%
Das ist Berlin. Und das soll man noch verstehen, Herr Wowereit?


Wie dem auch sei, ich habe sowieso wenig Ahnung von Berliner Politik und halte es hier und auch sonst gerne mit Sokrates. Trotzdem möchte ich jetzt mal noch einen Giftpfeil abfeuern, schliesslich musste der Weise 399 vor Christus auch zum Giftbecher greifen, was mich noch heute empört (P.S. Kriegen die Griechen heute die späte Strafe? / P.P.S. Hessel sagt ich soll mich empören, also keine Klagen!).

Heute morgen auf dem Weg zur Arbeit habe ich nämlich festgestellt, dass die Wahlplakate immer noch überall hängen - dies obwohl die Wahlen bekanntlich seit Sonntag erledigt sind. Dies festzustellen ist zugegebenermassen kein Ding von Schwierigkeit, hängen sie doch wirklich überall. Was aber sagt uns das?

Es gibt bekanntlich die Methode "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren". Diese Methode hört man in diesen Zeiten, meines Erachtens, besonders regelmässig aus dem linken Lager und gegen Banken gerichtet. Zurzeit manifestiert sie sich jedoch auch auf den Strassen Berlins: Wahlplakate werden, mit dem Ziel Gewinn zu privatisieren (ergo: politische Macht für die eigene Person oder Partei zu erlangen) in grossem Umfang von privaten Akteuren im öffentlichen Raum angebracht. Die Wahlplakate haben zu diesem Zeitpunkt einen potentiellen Wert für die darauf angepriesenen Akteure, ein Wert, der denjenigen des Materiellen (ergo: Pappe etc.) potentiell deutlich übersteigt. Mit dem Zeitpunkt der Wahl und deren Abschluss verlieren die Wahlplakate augenblicklich den überwiegenden Teil ihres Wertes, sie sind nunmehr praktisch wertlos. Was ist somit zu erwarten? Sie bleiben hängen. Die Gewinne sind nunmehr privatisiert, der Verlust - oder präziser: das Wertlose (das reicht in diesem Fall schon aus) - wird sozialisiert; die kommunale Berliner Stadtreinigung kann die Entsorgung der Plakate in Angriff nehmen.


Gemessen an den noch hängenden Plakaten lässt sich kein Unterschied zwischen den politischen Lagern ausmachen. Ich sehe keine Mitglieder der Grünen, die die Verluste vor der Sozialisierung bewahren. Aber was nicht ist, kann bekanntlich noch werden. Ich glaube daran.