Mittwoch, 7. März 2012

Master(oftheuniverse)arbeit


Mein Studium ist bald zu Ende - leider. Als nächstes würde mir jetzt eigentlich ein Philosophiestudium gut tun, also etwas mit Substanz um später einmal noch reicher zu werden. Saustinkreich! Billionaire Philosophers Club! Meine auf den Bahamas zugelassene Yacht wird dann Sokrates heissen und ich höre den ganzen Tag Soft Rock und steuere die Häfen der Vernunft an um kurze Zeit später wieder in die Weiten des undurchschaubaren, mächtigen Unbewussten zu segeln. 30 Punkte habe ich ja schon aus dem Bachelor, also sind es nur noch läppische 90 ECTS bis zum Stardom-Bachelor plus 60 ECTS in Psychologie. Den Master würde ich mir vielleicht sogar schenken - wenn der Vodka Cranberry fair genug ist.

Seit Januar schreibe ich meine Masterarbeit, so sieht es aus. Worum geht es? Um die Governance der Berliner Clubszene. Ich betrachte also Clubs für elektronische Musik in den Berliner Stadtteilen Friedrichshain und Kreuzberg und analysiere sie im Spannungsfeld von Politik und Stadtentwicklung. Weshalb? Weil ich so auf die Gästeliste komme, ja göttlich.

Ich schweife ständig ab, liegt wahrscheinlich an der Güte des Kindness-Debütalbums, das ich mir gerade anhöre. Tatsächlich ist es so, dass die von mir untersuchten Clubs zur sogenannten Kreativwirtschaft (Creative Industries im Englischen) gezählt werden. Diesem Wirtschaftsbereich, und damit auch den Clubs, wird ein beträchtliches Potential für städtische Entwicklung zugeschrieben. Potentiale, die so vielfältig wie teilweise umstritten sind. Man lese hierzu u. a. Charles Landry oder Richard Florida, um nur die beiden bekanntesten Autoren zu nennen. Mit der Kreativwirtschaft verbindet man aber auch "neue" Arbeits- und Gesellschaftsformen. Alles nebensächlich jetzt.

Im Grunde ist es so, dass Berlin das weltweite Zentrum für elektronische (Club-) Musik ist, die Clubs wie wahrscheinlich überall auf der Welt jedoch ständig unter Druck stehen. Ich untersuche nun wie die Clubs, gewisse Intermediäre, Politiker und Behörden (Wirtschaftsförderung, Stadtplanung etc.) agieren, denken etc. und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Dies kann man erstmal einfach analysieren. Darauf aufbauend werde ich jedoch auch noch normative Aussagen treffen; also zu erläutern versuchen, welche Strategien, Regelungen und Beziehungsformen die lokale Clubszene realistischerweise stärken könnten.

Heute hatte ich meine ersten Interviews: mit einem legendären Clubbetreiber sowie mit einem Leiter eines Netzwerks von Berliner Clubs. Wenn ich nicht Leute interviewe, sitze ich jedoch meistens in der fabelhaften Bibliothek der Humboldt-Universität. Es gibt davon natürlich mehrere, die Geographie ist jedoch auf dem randstädtischen Campus Adlershof angesiedelt. Die Lage ist zwar relativ lausig, die Einrichtung lässt - zumindest bei mir - jedoch kaum Wünsche offen. Ich kann hier kostenlos eine Arbeitskabine mieten, in welcher es sich wie in einem Büro arbeiten lässt.



Wenn ich meinen Kopf anhebe und zum Fenster richte, was tatsächlich oft geschieht, erspäht mein Blick die Schönheit einer kargen Betonwand. Da ich aber in Berlin sitze, ist sogar diese Wand historisch interessant. Sie gehört zu einem Windkanal aus den 1930er Jahren, der damals Teil der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt war. Direkt vor meinem Fenster befindet sich auf dieser Wand eine in russischer Sprache angebrachte Inschrift: "Kontrolliert, keine Mienen" - die Rote Armee war dann also 1945 auch da, und hat einiges mitgenommen wie man hört.


Ich will mich jetzt nicht übermässig rühmen - das gehört sich nicht, auch wenn es gerechtfertigt wäre -, aber wenn ich um 9.30 Uhr in die Bibliothek komme und meinen Arbeitstag endlich beginne, sieht es im zentralen Lesesaal oftmals noch so aus:


Ich weiss die orthodoxe Andacht der Bibliothek in Adlershof sehr zu schätzen. No hipsters, no catwalk, no distraction. Just nerds, "monkalikes", or emptiness (Kult: ich verwende das Oxford-Komma!). Und meterweise Regale mit ukrainischen und russischen Büchern über Mathematik (P.S.: die Humboldt-Universtität war während der Deutschen Teilung die Hochschule der DDR, und da denkst du tatsächlich, die hätten angelsächsische Bücher gehabt, haha, nein! Heute gibt es einige wenige, haha.).

Wenn das nur gut kommt mit dieser Abschlussarbeit.