Montag, 26. März 2012

Urs Blank im Berliner Forst


Gestern waren wir am südöstlichen Stadtrand von Berlin im Wald. Ich glaube, das waren Kiefern. Aber ich bin ein miserabler Dendrologe - es ist zum Heulen.


Geistig schon halbwegs im sandigen Berliner Boden versinkend, musste ich augenblicklich an Martin Suter denken. Gehe auch du unter Bäumen wandeln und lese "Die dunkle Seite des Mondes".

Dazu rate ich
- im Gehölz verweilend den Klängen des Waldes zu lauschen,
- im Sessel hängend den Mythologien dieses Mixes zu folgen.

Urs Blank ist der vermutlich beste Name der Welt.

Samstag, 24. März 2012

Tresor Berlin


Letze Nacht waren wir erstmals und letztmals im Tresor Club. Warum erstmals - oder warum überhaupt? Damals, Ende der 1990er Jahre und in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends, war der Tresor eines meiner tragischerweise unerreichbaren Sehnsuchtsziele. Ich war entweder zu jung oder hatte keine Freunde, die mit mir eine Begeisterung für Musik im Allgemeinen und subkulturelle elektronische Musik im Speziellen teilten. Überdies lag Berlin nicht vor meiner Haustür.

Der Tresor öffnete 1991 in der Nähe von Leipziger und Potsdamer Platz, wo während der Teilung Deutschlands die Berliner Mauer stand. Ich würde behaupten, dass der Tresor für die 90er Jahre das war, was das Berghain für die 00er Jahre (und darüber hinaus?) war: die globale Zentrale für Techno. Von diesem Ort verlief die legendäre und noch heute bestehende Achse in die Gründungsstadt des Techno, nach Detroit (USA). Das klang Ende der 90er Jahre ungefähr so (sehr geiler "Tresor 1998"-Mix von Silent Servant)!

2005 musste der ursprüngliche Tresor Club jedoch einem Neubau weichen und zügelte deshalb 2007 in ein altes Heizkraftwerk an der Spree. Und gestern legte nun einer der Protagonisten des Detroit-Techno ein 6-Stunden-Set hin: Jeff Mills.


Ich habe den Wizard schon mehrmals gesehen und dachte, diese Nacht wäre die beste Gelegenheit zumindest einmal den Tresor zu besuchen und vielleicht, ja vielleicht den Spirit des Tresor der 90er Jahre zu spüren.

Ein wenig skeptisch war ich ja schon im Voraus und die Vorzeichen für die Party waren schon in der Warteschlage relativ eindeutig. So war ich überzeugt davon, dass die kreischende Gruppe 18 Jahre alter Italiener und Italienerinnen vor uns an der Türe ein eindeutiges und teutonisch strenges "Nein!" vernehmen würden. Dem war mitnichten so und ich war - als bornierter Veteran - erstmals an diesem Abend tief schockiert. Was die Umstände nicht besser machte war der mit Zigarettenwerbung bedruckte 'Sonnenschirm' über der Eingangstüre. Condor to Mallora? Schlussendlich war auch die Tatsache, dass der Tresor im Jahre 2012 seinen Namenszug über dem Eingang hängen hat wenig ermutigend. Renate, AB, Loftus Hall, Berghain - ich kenne keinen vernünftigen Club, der heutzutage so auch sich aufmerksam macht. Faustregel ist eher: je unscheinbarer desto besser; es ist ein Versteckspiel, motiviert durch Distinktionsbestrebungen "for those who know", wie auch Jeff sagen würde.

Innen ging es leider ähnlich weiter: in der Mehrheit ein anstrengendes Publikum, Zigarettenverkaufsstände, vergleichsweise wenig begeisternde Klangqualität und eine Raumästhetik, die für mich einfach - es klingt lächerlich, ich weiss - zu sehr 90er Jahre ist. "It's soooo like 1990s, you know?" Die monumentale Industrieästhetik des Tresor spricht mich 2012 einfach nicht mehr wirklich an. Früher war das sensationell, sei es in einem Rohstofflager in Zürich oder eben in Berlin oder an irgend einem anderen deindustrialisierten Ort auf diesem Planeten. Und auch heute gibt es noch Orte, wo ich diese Raumsprache galanterweise noch durchgehen lasse, etwa im Berghain oder im Trouw in Amsterdam. Aber sonst sind kleinere Clubs und solche in alten Büros, Kantinen oder  Wohnhäusern heute irgendwie aufregender.

Wenn ich von dieser Vorliebe abstrahiere, anerkenne ich jedoch gerne die Qualität des Tresor-Dancefloors unten im Keller des Kraftwerks. Hier, auf einem von insgesamt drei Tanzbereichen, legte zudem hinter Gittern und in dickstem Nebel Vince Watson auf, seit Jahren einer meiner Favoriten auf dem weiten Feld des Techno.


Auch Jeff Mills ging ab! Und sogar Patrice Scott, ein von mir hoch geschätzter, zeitgeistiger DJ und Produzent aus Detroit, war da. Trotzdem und wie gesagt: erstmals und letztmals war ich gestern im Tresor. Die Diskrepanz zwischen meiner Idealvorstellung des Tresor - wie sie im kürzlich veröffentlichten und empfehlenswerten Buch "Der Klang der Familie" wunderbar zur Geltung kommt - und dem Zustand heute ist für mich einfach nicht stemmbar. Da male ich mir fortan lieber bei der Lektüre oder unter dem Einfluss damaliger Musik Bilder von früher aus und gehe statt dessen strikt in die heute tonangebenden Clubs.


Übrigens ist es schon schwer nachvollziehbar, wie ein Club, der sowohl zu seinen Anfangszeiten als auch heute von ein und demselben legendären Betreiber geführt wird, sich vermeintlich so stark verändern kann; von totalem Underground und musikalischem Innovationsraum hin zu Lucky Strike 'Sonnenschirm' und musikalisch mehrheitlich desinteressierten Berlin-Techno-Touristen. Da schmerzt schon ein wenig das Herz, wenn man aus "Klang der Familie" liest und zwei Stunden später metaphorisch eins auf die Fresse kriegt in der Realität anno 2012. Schnell zurück in den Untergrund oder auf die Lesecouch zu Hause.

Samstag, 17. März 2012

Mittwoch, 7. März 2012

Mokum Boys Club


Follow them on Tumblr! They do amazing 3-day-sets at Berghain. Since 1947 and they still look fresh.





"God damn, how real is this?" (ASAP Rocky)

Paul auf Ijburg? Awesomeness.

Fotos von meinem Bruder.

Master(oftheuniverse)arbeit


Mein Studium ist bald zu Ende - leider. Als nächstes würde mir jetzt eigentlich ein Philosophiestudium gut tun, also etwas mit Substanz um später einmal noch reicher zu werden. Saustinkreich! Billionaire Philosophers Club! Meine auf den Bahamas zugelassene Yacht wird dann Sokrates heissen und ich höre den ganzen Tag Soft Rock und steuere die Häfen der Vernunft an um kurze Zeit später wieder in die Weiten des undurchschaubaren, mächtigen Unbewussten zu segeln. 30 Punkte habe ich ja schon aus dem Bachelor, also sind es nur noch läppische 90 ECTS bis zum Stardom-Bachelor plus 60 ECTS in Psychologie. Den Master würde ich mir vielleicht sogar schenken - wenn der Vodka Cranberry fair genug ist.

Seit Januar schreibe ich meine Masterarbeit, so sieht es aus. Worum geht es? Um die Governance der Berliner Clubszene. Ich betrachte also Clubs für elektronische Musik in den Berliner Stadtteilen Friedrichshain und Kreuzberg und analysiere sie im Spannungsfeld von Politik und Stadtentwicklung. Weshalb? Weil ich so auf die Gästeliste komme, ja göttlich.

Ich schweife ständig ab, liegt wahrscheinlich an der Güte des Kindness-Debütalbums, das ich mir gerade anhöre. Tatsächlich ist es so, dass die von mir untersuchten Clubs zur sogenannten Kreativwirtschaft (Creative Industries im Englischen) gezählt werden. Diesem Wirtschaftsbereich, und damit auch den Clubs, wird ein beträchtliches Potential für städtische Entwicklung zugeschrieben. Potentiale, die so vielfältig wie teilweise umstritten sind. Man lese hierzu u. a. Charles Landry oder Richard Florida, um nur die beiden bekanntesten Autoren zu nennen. Mit der Kreativwirtschaft verbindet man aber auch "neue" Arbeits- und Gesellschaftsformen. Alles nebensächlich jetzt.

Im Grunde ist es so, dass Berlin das weltweite Zentrum für elektronische (Club-) Musik ist, die Clubs wie wahrscheinlich überall auf der Welt jedoch ständig unter Druck stehen. Ich untersuche nun wie die Clubs, gewisse Intermediäre, Politiker und Behörden (Wirtschaftsförderung, Stadtplanung etc.) agieren, denken etc. und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Dies kann man erstmal einfach analysieren. Darauf aufbauend werde ich jedoch auch noch normative Aussagen treffen; also zu erläutern versuchen, welche Strategien, Regelungen und Beziehungsformen die lokale Clubszene realistischerweise stärken könnten.

Heute hatte ich meine ersten Interviews: mit einem legendären Clubbetreiber sowie mit einem Leiter eines Netzwerks von Berliner Clubs. Wenn ich nicht Leute interviewe, sitze ich jedoch meistens in der fabelhaften Bibliothek der Humboldt-Universität. Es gibt davon natürlich mehrere, die Geographie ist jedoch auf dem randstädtischen Campus Adlershof angesiedelt. Die Lage ist zwar relativ lausig, die Einrichtung lässt - zumindest bei mir - jedoch kaum Wünsche offen. Ich kann hier kostenlos eine Arbeitskabine mieten, in welcher es sich wie in einem Büro arbeiten lässt.



Wenn ich meinen Kopf anhebe und zum Fenster richte, was tatsächlich oft geschieht, erspäht mein Blick die Schönheit einer kargen Betonwand. Da ich aber in Berlin sitze, ist sogar diese Wand historisch interessant. Sie gehört zu einem Windkanal aus den 1930er Jahren, der damals Teil der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt war. Direkt vor meinem Fenster befindet sich auf dieser Wand eine in russischer Sprache angebrachte Inschrift: "Kontrolliert, keine Mienen" - die Rote Armee war dann also 1945 auch da, und hat einiges mitgenommen wie man hört.


Ich will mich jetzt nicht übermässig rühmen - das gehört sich nicht, auch wenn es gerechtfertigt wäre -, aber wenn ich um 9.30 Uhr in die Bibliothek komme und meinen Arbeitstag endlich beginne, sieht es im zentralen Lesesaal oftmals noch so aus:


Ich weiss die orthodoxe Andacht der Bibliothek in Adlershof sehr zu schätzen. No hipsters, no catwalk, no distraction. Just nerds, "monkalikes", or emptiness (Kult: ich verwende das Oxford-Komma!). Und meterweise Regale mit ukrainischen und russischen Büchern über Mathematik (P.S.: die Humboldt-Universtität war während der Deutschen Teilung die Hochschule der DDR, und da denkst du tatsächlich, die hätten angelsächsische Bücher gehabt, haha, nein! Heute gibt es einige wenige, haha.).

Wenn das nur gut kommt mit dieser Abschlussarbeit.

Sonntag, 4. März 2012

SV Babelsberg International


Gestern Samstag war ich, ganz Mode- und Schönwetterfan, endlich wieder bei einem Spiel des SV Babelsberg 03. Leider gibt es über das Spielgeschehen kaum etwas zu berichten. Ich kann mich, ehrlich gesagt, an keine einzige gefährliche Torchance der Gastgeber erinnern und auch der Spielaufbau hatte im wahrsten Sinn des Wortes Sand im Getriebe; 3. Liga Glamour. Die Gäste aus Chemnitz wiederum verzeichneten immerhin einen Lattenschuss. Zu mehr reichte es aber, erfreulicherweise, auch ihnen nicht. Wer nun 1 und 1 zusammenzählt weiß, dass daraus 0 und 0 resultiert. Herrlich logisch, nicht wahr?

Interessanter war es auf den Rängen. Diese Globalisierung ist einfach bemerkenswert: sie erreicht heutzutage - Vladimir Putin mag es immer noch nicht glauben - nicht nur russische Städte und Steppen (Gott segne sie!), sondern auch die Niederungen des europäischen Fussballs. Auf der Babelsberger Nordkurve hört der gepflegte Biertrinker die folgenden Sprachen gegrölt: Italienisch, Französisch, Englisch, Spanisch und, ohne Kohl, Deutsch! Und ich spreche nicht von den Sprachen der Zuschauer, die sprechen meines Ermessens alle Deutsch oder eine dieser Sprache verwandte Ausdrucksweise. Ich spreche von den Chorälen der Fans.

Aber eben, die Kurven werden ja auch kaum mehr von Kutten dominiert. Die sucht man im 152. Todesjahr meines geliebten Schopenhauers vielerorts vergeblich. Heute stehen nach Italien schielende Ultras neben von England inspirierten Casuals, Hools und Fools. Und mittendrin: die von Südamerika träumenden Pazifisten und Antifaschisten. Nur eins erklärt sich mir einfach nicht auf Anhieb: weshalb um Himmels Willen Französisch? Ist es die Revolution? Ist es vielleicht die Liebe zum französischen Duschen? Oder gar die Hoffnung auf Francois Hollande, der, ich kann es kaum fassen, nur noch halb so schwer ist wie damals, als er noch mit Ségolène verheiratet war. Und noch was: warum kein Russisch? Ist das vielleicht auf der Ostkurve en vogue? Davai 03! Und beim nächsten Mal sollte ich vielleicht auch ein Berner Lied anstimmen.

Aus den Stadien in Italien oder England oder Russland kenne ich diesen babylonischen Sprachenknäuel nicht. Dort singt man, wenn ich mich nicht irre in meinen greisen Tagen, einfach in der Landessprache. C'est tout. Ich kenne das sonst nur aus der Schweiz, und dort fand ich es verständlich weil wir so ein kleines und daher oftmals auch nach außen orientiertes Land sind. Wir müssen uns Inspirationen quasi aus dem Ausland holen, oder sie werden durch Immigration zu uns gebracht, v. a. aus Italien. Aber warum singt Babelsberg in fünf Sprachen? Wie dem auch sei, gestern gegen Chemnitz war diese kosmopolitische Kurve auf jeden Fall besonders wohltuend. Und dann hing dort im Westen auch noch ein Banner der Bulldogs vom GCZ. Oje.

Leider habe ich keine Fotos. Das Spiel war wie gesagt nüscht. Aber die teilweise herrlichen Leute hätte ich gerne fotografiert. Habe mich aber nicht getraut und deshalb gibt es jetzt  fünf zufällige Fotos und drei göttliche Listen.






Drei Mixes die ich gerade höre: Bossa Nova and beyond from Brazil, Soft Rock und Yachtness aus den USA sowie Bass Musik von der Insel.

Drei Tumblrs: Substance, Minimal Me und Newy-rk.

Zur Förderung hypnagogischer Erfahrungen oder zum Spliff oder so, mir egal: Grouper, Big Deal, Washed Out.