Vergangene Woche waren wir in Vietnam. Ja, das geht. Ziemlich easy sogar, mit der Tram in etwa 40 Minuten glaube ich. Vietnam liegt in Berlin-Lichtenberg und heißt hier Dong Xuan. Auf einem Teil des Areals des früheren VEB (Volkseigener Betrieb; Rechtsform in der DDR) Elektrokohle Lichtenberg befindet sich seit sechs Jahren ein vietnamesischer bzw. asiatischer Handelskomplex.
Der Markt befindet sich heute in Form von vielen einzelnen Geschäften in mehreren neuen, langgezogenen Zweckbauten. Die Läden führen unterschiedlichste Produkte niedriger bis niedrigster Qualität. Es gibt endlos viele Kleider, es gibt Schmuck, Taschen, Reisegepäck, Frisöre (Haarschnitt für Herren 6 Euro), Lebensmittel, Imbisse. Auch Plastikblumen:
Aber warum eigentlich Vietnam? 1980 schloss die DDR mit der Sozialistischen Republik Vietnam eine Vereinbarung ab, welche Vietnamesen die Möglichkeit eröffnete, als Vertragsarbeiter in der an einem Fachkräftemangel leidenden DDR zu arbeiten. In der Folge wuchs die Zahl an vietnamesischen Vertragsarbeitern in der DDR auf etwa 60'000 Personen. Das klingt für heutige Verhältnisse nach nicht besonders vielen Menschen, aber in der DDR war nur 1 % der erwerbstätigen Bevölkerung ausländischer Herkunft. Die Genossen aus Vietnam stellten dabei die mit Abstand größte Ausländergruppe dar.
Heute ist der relative Anteil der Vietnamesen bezogen auf die Gesamtzahl ausländischer Ethnien in Berlin deutlich gesunken. Kein Wunder also, dass aus Dong Xuan zunehmend, so scheint es zumindest, Dong Ali wird oder Mohammed Xuan von mir aus. Das Warenangebot betrifft das aber vermutlich nicht wesentlich.
Besonders interessant an Orten wie dem Dong Xuan Center sind meines Erachtens denn auch die Eingebundenheit dieser Räume in internationale, (spät) kapitalistische Warenketten. Wie kommen die Waren in die Regale in Berlin-Lichtenberg? Und auch: Wie sauber (politisch korrekter: formell/informell) sind die Geschäfte hier? In den Medien wurde jedenfalls auch schon von einem Zentrum der vietnamesischen Mafia und des Menschenhandels berichtet. Wandelt man durch die Hallen merkt man davon natürlich nichts - außer der bemerkenswerten Feststellung, dass die Autos bei den Hinterausgängen teilweise doch der gehobenen Preisklasse angehören. Aber das bedeutet natürlich nichts; ein Geschäftsmann im schwarzen Porsche Cayenne könnte etwa auch - ohne das der Kunde das bemerkt - zehn einzelne und unterschiedlich gestaltete Geschäfte im Center besitzen. Oder aber sein Kapital stammt aus dem illegalen Zigarettenhandel in der ganzen Stadt und wird hier zwischen Berliner Plattenbauten herrlich sauber gewaschen. You never know.
Wie dem auch sei: das DXC ist ein interessanter und spezieller Ort, der viele Fragen in den Raum stellt - an dem man aber auch ganz entspannt die köstliche vietnamesische Küche geniessen kann.