Freitag, 27. August 2010

Renate oben ohne!

Die letzten paar Tage war ich vorübergehend Teil eines fahrlässig akrobatischen Wanderzirkus! Das Ensemble, zusammengewürfelt aus einer Horde tollkühner Artisten aus der ganzen Welt, nennt sich auch 'Internationaler Berliner Hedonistenfeierei Kirkos'. Organisiert ist man als GmbH, wobei die Haftung absurd beschränkt ist. Egal. Die Spezialität dieser merkwürdigen Truppe ist übrigens sich selbst zu feiern.

Wir starteten unsere Berliner Tour in der Jacki Terrasse am Ufer der Spree. Die beiden Stars des Abends waren die Plattenjongleure Hunee und Finn Johannsen. Sie setzten den Fokus ihrer Darbietungen auf das filigrane Ballspiel mit farbigen, weichen, ja herzerwärmenden Discoperlen. Es war ein Hochgenuss, getrübt bloss durch den glücklicherweise kurzzeitgen und an eine deplacierte Clownerie erinnernden Einbezug von schrecklich unpassenden harten Bällen. Weil sich die sowieso schon dünn besetzten Zuschauerränge mit dem Hochfliegen der rauhen Jonglierkugeln noch weiter lichteten, nahmen die beiden Artisten die Eindringlinge ziemlich rasch wieder aus dem Spiel. Thank god. Nichts gegen Härte, ich will nicht falsch verstanden werden. Aber bitte alles zu seiner Zeit.

Am Samstag bespielten wir den Club der Visionäre. Über diese Manege besten Geschmacks bedarf es keiner weiteren Ausführungen. Nirgendwo im Berliner Stadtforst gefällt mir die Atmosphäre besser als hier. Ich habe noch nie ein trauriges Gesicht gesehen in den Reihen des prächtigen Publikums.

Sonntags dann kam die Zeit für den Auftritt der Wilden Renate, oben ohne versteht sich. Da die IBHK GmbH ein Zirkus ist, der gerne auch mal ohne Zelt auftritt, erwies sich die alte und stillgelegte Fabrik im gespenstischen Osten der Stadt als vernünftiger Schaurahmen:


Die Höhepunkte setzten nicht nur die Jünger der Wilden Renate, unter anderen DOP, ZIP und die zauberhafte Maayan Nidam, sondern auch die auf dem folgenden Schnappschuss erkenntlichen Zeitgenossen. Während die erstgenannten versuchten, mich mit Tierdressuren zu begeistern - was ihnen ehrlich gesagt nicht immer zu voller Zufriedenheit gelang, manchmal waren die Kunststücke etwas proletenhaft, was der Mehrheit des hedonistischen Publikums selbstverständlich nicht auffiel - bewiesen letztere in der Rolle filigraner Hüftakrobaten oder als in elegantes Weiss gehüllter und lässig sitzender Chefdompteur hohes Stil- und Klassenbewusstsein. So hebt man sich von den Vielen ab! Egal.


Ich wollte schon zurück in die sonntägliche Ruhe, da lief mir noch das verblüffendste 'Prick-Smile' der Stadt über den Weg. Erst beim zweitem Hinsehen durfte ich erleichtert feststellen, dass es sich bei diesem zirkuseigenen Zauberer um meinen extra angereisten Bruder handelte. Sein begeisterndster Zaubertrick? Neben dem 'Prick-Smile'? Er kriegt es auf magische Art und Weise hin, dass die Club Mate einfährt. What a trick, di**!


Egal. Den Abschluss der Tournee bildete ein Auftritt im Watergate, einem luxuriösen Chapiteau an der Oberbaumbrücke. An diesem Mittwoch wollten die Akrobaten von Vakant irgendetwas feiern, wahrscheinlich die Premiere einer neuen Show. Leider endete die Aufführung darin, dass die versammelten am Trapez hängenden Artisten einen stilistisch freien Fall erlitten. Das Trapez war meines Erachtens viel zu straff angebracht, schon von erster Minute an legten die Narren los als wären sie dem Teufel vom Karren gefallen. Erbärmlicherweise fanden jedoch viele der im Publikum anwesenden Freaks gefallen an diesem übermotivierten Tun; sie brachten dies mit absurden und an die Bewegungen von Schlangenmenschen erinnernden 'Party-Claps' zur Geltung. Ich hatte Mitleid und sah mir diese Szenerie nur bis gegen vier Uhr morgens an. Trotzdem: Das Watergate ist eigentlich ein nicht nur luxuriöses sondern auch stimmungsvolles Chapiteau. Wären die Künstler talentierter gewesen hätte ich sicherlich bis zum Sonnenaufgang verbleiben können.

Für die daheim Gebliebenen möchte ich nun an dieser Stelle noch einige gut gemeinte Verweise empfehlen.

Den Auftakt macht der besagte Berliner Discojongleur Hunee mit einer wunderbar kurios-entspannten Darbietung. Und zwar:
Hier!

Weiter geht es mit meiner aktuellen Lieblingsnummer von Magier Christopher Rau. Ein Fest für meine Sinne,
hier.

Der finale Akt stammt von SCB alias Scuba. Der ebenfalls in Berlin lebende Engländer ist zurzeit eine der schillerndsten Figuren auf dem Feld der elektronischen Akrobatik. Als Scuba prägt er die Entwicklung der Disziplin Dubstep voran, unter dem Alias SCB widmet er sich nun auch den in Berlin übermächtigen, gerade strukturierten Bewegungsabläufen. Berghain Techno Style! Interview und Show - live aus der legendären Panoramabar - gibt es
hier.