Dienstag, 31. Januar 2012

Stadterneuerung und -erweiterung: Amsterdam


Reurbanisierungen von mehr oder weniger innenstadtnahen Industrie- und Gewerbebrachen sind zumindest in Westeuropa gegenwärtig von immenser Bedeutung. Innerhalb von sagen wir mal zwei bis drei Jahrzehnten erhalten zahlreiche relevante Städte (zum Beispiel auf dem Städteband Kopenhagen - Hamburg - Amsterdam - Rotterdam) ein teilerneuertes Gesicht. Besonders interessant daran finde ich u. a. die relativ kurze Zeitspanne, in welcher diese ambitionierten Stadterneuerungen und -erweiterungen realisiert werden. Dies dürfte es bereits in naher Zukunft ermöglichen, auf eine relativ kompakte städtebauliche Phase zurückzublicken. Wie wird man darüber urteilen? Werden diese Entwicklungen ein ähnlich schlechtes Image erhalten wie beispielsweise viele Objekte der Nachkriegsarchitektur der 50er und 60er Jahre - kalt, gesichts- und herzenslos, "verslumt", abgegrenzt? Oder werden die Gebiete zu prosperierenden und begehrten Stadtlagen? Ich will hier nun weder eine allgemeine Hypothese aufstellen noch ein erstes Fazit ziehen, sondern, wie es schon Tradition ist auf diesem einfach gestrickten Blog, einzelne Projekte kurz portraitieren. Heute aus gegebenem Reiseanlass: Amsterdam.

Unten ersichtlich ist das 2005 in Betrieb genommene Muziekgebouw aan 't IJ der dänischen Architekten 3xNielsen. Wie der Name erahnen lässt handelt es sich dabei um ein Konzerthaus - meines Wissens für moderne und zeitgenössische klassische Musik (paradoxe Bezeichnung, aber ich wüsste nicht, wie ich es sonst beschreiben sollte). Der Seitenflügel mit der Aufschrift Bimhuis ist ein sehr bekannter Jazzclub und ich habe den Eindruck, dass die Parallelen zu den neuen Kulturhäusern (Operaen, Skuespilhuset) in Kopenhagen immens sind: allesamt typische und modische Beispiele für innerstädtische Reurbanisierung durch grosse Kulturveranstaltungsorte. Renard Teipelke, ein Kollege aus einem Praktikum in Berlin, hat das Thema auf einem anderen Blog bereits in allgemeiner Art und Weise aufgenommen. Hinter dem Leuchtturmprojekt, also in östlicher Richtung, erstreckt sich entlang des Wassers in den östlichen Hafengebieten ein langer Gürtel von zeitgenössischen Büro- und Wohnbauten. Als einzelne Objekte sind sie meines Erachtens relativ gelungen. Gleichzeitig riegeln sie das dahinter liegende Stadtgebiet ziemlich radikal vom Wasser ab.


Diesem Riegel vorgelagert sind Java und KNSM (Koninklijke Nederlandse Stoomboot Maatschappij oder so - steht für eine Schifffahrtsgesellschaft aus der guten alten Zeit; KNSM hatte hier ihren Sitz und ihre Docks). Nach dem Verschwinden der alten Nutzung besiedelten zuerst Hausbesetzer das Gebiet, in den 1990er Jahren wurde es dann wieder neu überbaut. Ich finde es dort heute mehrheitlich langweilig.

Schnell geht es aber über die Brücke nach Sporenburg und Borneo, ebenfalls Docks, wo früher vermutlich Waren aus den niederländischen Kolonien gelöscht wurden. Hier trifft der Stadtwanderer auf die städtebaulich sehr interessanten Meteoriten. Dabei handelt es sich um Superblocks inmitten kleinerer, jedoch sehr dicht nebeneinander gebauten Wohnhäusern (auf dem verlinkten Bild von Mimoa sind der "Whale" und "Pacman" zu sehen). Die Meteoriten bestehen aus jeweils mindestens 150 Wohnungen, wovon zahlreiche Einheiten Sozialwohnungen sind. Das erklärte Ziel dieser Bebauung dürfte somit nicht nur eine hohe Bevölkerungsdichte, sondern ebenso eine soziale Mischung der Bewohner sein. Wie der nachfolgend abgebildete Turm auf Sporenburg heisst ist mir nicht bekannt. Es ist aber saugeil. Genauso wie die Einfamilienhäuser an der Scheepstimmermanstraat.


Mit der Tram kann man von hier aus auf das Neuland IJburg fahren. Dieser Stadtteil entsteht seit zirka zehn Jahren auf neu geschaffenen künstlichen Inseln im IJmeer und soll in Zukunft Lebensraum für etwa 45'000 Menschen bieten. Dort zu wandern kann, wie in vielen anderen zeitgenössischen Stadtentwicklungsgebieten, manchmal ganz schön surreal anmuten (siehe nächstes Foto). Immerhin gibt es auf IJburg jedoch jetzt schon (!) zahlreiche Geschäfte und sogar einige Cafés. Letzten Freitag hat sogar ein DJ aufgelegt in der einen Yuppie-Spunte! Problematisch könnte hier aufgrund der Neugewinnung des Landes jedoch die Ökologie im IJmeer sein. But there is no such thing as a free lunch, man kann es nur immer wieder betonen.


Da auch Amsterdam aus allen Nähten zu platzen scheint wird nicht nur im Osten der Innenstadt entwickelt und gebaut. Besonders interessant ist gegenwärtig auch Amsterdam Noord. Auf dieses Gebiet komme ich vielleicht noch mal gesondert zurück, unterscheidet es sich zurzeit doch noch beträchtlich vom östlichen Hafengebiet und IJburg. Auf der Fahrt mit der Fähre vom Bahnhof in einen westlichen Teil von Noord passiert das Schiff aber beispielsweise das neue EYE Film Institute (das weisse Konstrukt im oberen der beiden Fotos) sowie die Westerdoks (Foto ganz unten). Während das Filminstitut von Delugan Meissl aus Wien wiederum ein prächtiges Beispiel für diese oben angesprochenen Kulturbauten darstellt, wirken die Gebäude in den westlichen Docks auch wiederum riesengross - verglichen v. a. mit den Gebäudestrukturen des Amsterdam aus der goldenen Zeit des 17. Jahrhunderts.



Meine beiden bevorzugten Bauten konnte ich nicht zufriedenstellend fotografieren. Es handelt sich um den Komplex auf dem Silodam (drei Bauten von 1898, 1952 sowie 2002) sowie die KraanspoorDie Holländer sind doch verrückte Kiffer Alter.