Dienstag, 1. November 2011

There is so much good music out there it is just crazy lazy daisy


Es ist Herbst und ich mag es. Ein schöner Satz, sprühend vor Einfallsreichtum. Schön sind auch die Schneebeeren, die zurzeit ihre giftigen Früchte tragen und die man im Park herrlich pflücken kann um den Herbst in die Wohnung zu bringen.


Tatsache ist aber, dass ich nur eine kümmerliche Ahnung habe von Botanik. Schade eigentlich, ist es doch eine wie ich meine ausserordentlich stilvolle Eigenschaft über umfassende Pflanzenkenntnisse zu verfügen. Glücklicherweise schaue ich schon auf mehrere Jahre Gartenarbeit bei meiner Grossmutter zurück. Ich muss diese körperliche und seelische Ertüchtigung in Zukunft unbedingt wieder aufnehmen.

Was wollte ich eigentlich? Ach ja, richtig: ein paar aktuelle Alben aus dem Bereich der elektronischen Musik empfehlen. An und für sich habe ich ja Grund zur Annahme, dass diese Empfehlungen sowieso kaum jemand liest. Und von den Wenigen die es trotzdem tun wird wahrscheinlich keine einzige Person eines der Alben auch tatsächlich kaufen. Entweder weil er/sie denkt ich würde besser das Maul halten oder weil er/sie aus fragwürdigen Gründen keine Musik kauft oder - und hier wäre Lob angebracht - die Alben schon in seiner/ihrer zivilisierten Sammlung führt. Letzten Endes ist auch das egal, wie immer. So weiss ich in 37 Jahren zumindest noch, was mir im Herbst 2011 gefallen hatte.


Das oben abgebildete Cover gehört zum Album "Wander/Wonder" vom US-Amerikaner Balam Acab, bürgerlich Alec Koone. Was ist das für Musik? Vom Stile her vielleicht Electronica mit Einflüssen von Ambient, R'n'B und Intelligent Techno. Keine Ahnung, wirklich. Pitchfork hat die Arbeit aber eigentlich schon gemacht und schreibt: "It's pretty (...). It's the sort of music that exists at the intersection between art and design, but it manages to avoid feeling sterile. (...) W/W is pastoral, more likely to bring to mind sunlight slanting through a window that overlooks a rural garden. (...) This is functional music that highlights the simple pleasure of artfully arranged sound, the kind of gorgeous and evocative record that fills up the room and shifts your perception for 37 minutes and then brings you gently back to the surface." Sehr schön formuliert von Pitchfork, das sind Profis. Und siehe da, welch erhabener Zufall, ist doch in diesen Worten auch das Gartenthema präsent.


Wollen wir hingegen etwas mehr in Richtung Tanzfläche steuern bieten sich meines Erachtens die aktuellen Werke zwei meiner grundsätzlich bevorzugten DJs und Produzenten an: Lawrence aus Hamburg und Scuba aus London, wohnhaft in Berlin und Organisator der eindrücklichen Sub:Stance-Reihe in Berghain/PB.

Lawrence ist ein Meister des deepen House und mir somit von Natur aus ein Freund im Herzen. Sein Mix punktet bei mir jedoch nicht nur mit der Musik, sondern ebenso mit dem Titelbild der Zusammenstellung. Ein prächtiges Cover!

Scuba wiederum war einmal eines der Aushängeschilder von Dubstep. Diese Musik ist aber in den letzten Jahren unter ihrer schweren Basslast quasi implodiert und in tausend Fraktale zerfallen. Ein Fall für Mandelbrot. Sein Mix ist nun jedenfalls entsprechend seiner Berliner DJ-Sets eine Reise durch die Gefilde des UK-Bass, der Berliner Schule und der House-Musik. Und ich muss sagen, dass ich bei den ersten Hörproben ein bisschen enttäuscht war. Mittlerweile gefällt mir das Set aber immer besser, und das spricht meistens für die Qualität eines Werks, wenn es nämlich mit der Zeit wächst wie die Frucht einer Schneebeere.

Der Grund meiner anfänglichen Enttäuschung liegt vermutlich auch darin, dass ich Scuba kürzlich im Plastic People in London erlebt habe und er dort ein "englischeres" Set zum Besten gab. Mehr UK Garage, mehr Stilwechsel, mehr Hymnen. Sein All-Nighter war herrlich und eine Demonstration seiner immensen Fähigkeiten sowie seiner Stilsicherheit auch bei einer erheblichen Breite an Stilen. Die DJ Kicks klingt jetzt eher nach Berghain, was bedeutet, dass UK Garage beispielsweise keine explizite Berücksichtigung findet. Doch solange er die Reise mit seiner sensationell kitschigen Eigenproduktion "Adrenalin" abschliesst bin ich jederzeit mit im Boot. Da kommen Erinnerungen auf an den Keller in Shoreditch und die Euphorie und die zur Himmelsdecke erhobenen Hände! Auf jeden Fall mit jedem weiteren Hörgang ein wunderbarer Mix.



Auch wenn ich oft kein besonders grosser Freund von Hipstertum bin - ich glaube dahinter vielleicht fälschlicherweise oftmals jämmerliche Borniertheit zu erahnen - mag ich doch die neue Musik von New Look sehr gerne. Was hört man? Elektronischen Pop mit sehr schönen Vocals und Anleihen an Grime und (Post) Dubstep, vielleicht? Ich würde das Album jedenfalls uneingeschränkt zum Kauf empfehlen. Es klingt in meinen Ohren bereits jetzt nach einen zukünftigen Klassiker.