Samstag, 28. Mai 2011

Kritik einer Konferenz

Die letzten beiden Tagen war ich auf einer Konferenz in Berlin. Unter dem Namen 'Urban Futures 2050' ging es darum, die Zukunft der Städte neu zu denken und praktisches Handeln zu inspirieren. Veranstalterin war die Heinrich Böll Stiftung, und ich hatte mich durchaus auf zwei spannende Tage gefreut.


Leider kam alles ein wenig anders. Zwar waren sowohl die Lokalität als auch die Verpflegung und die Betreuung sehr professionell, die inhaltliche und methodische Organisation lösten bei mir jedoch eher Langeweile, Enttäuschung und Verwunderung denn Begeisterung aus. Weshalb? Bei einem Titel wie 'Urban Futures 2050' - besonders aufgrund der Berücksichtigung dieser Jahreszahl - hätte ich deutlich mehr Visionäres und Utopisches erwartet. Derartiges war jedoch, soviel ich mitgekriegt habe, nicht oder höchstes kaum zu hören.

Wo waren fähige Zukunftsforscher, welche veränderte Ansprüche an Städte des Jahres 2050 skizzierten? Wo waren Philosophen, die vielleicht auch den einen oder anderen spannenden Gedanken hätten machen können? Auch kein Architekt wagte oder durfte/sollte ein Szenario für die Baukultur in 40 Jahren entwickeln. Warum haben keine Ökonomen aus Think Tanks über mögliche Veränderungen im globalen Handel diskutiert? Und wo war der innovative Erfindergeist aus dem Bereich der Mobilität, der Energie oder der virtuellen Kommunikation (whatever, actually). Statt dessen hörte ich eigentlich ausschliesslich aktuelle Herausforderungen für die heutigen Städte. Man sprach von Einzelprojekten in irgendwelchen Städten, äusserte seinen Unmut über Autos (ein Kommunalpolitiker oder so aus Malmö etwa viermal: "I don't have a driving licence, I really hate cars, sorry!") und sagte offenherzig "Ja zur Energiewende!". Ein bisschen spannender hätte ich mir die Stadt 2050 schon vorgestellt.

Zudem war es auch nicht berauschend, dass eine Podiumsdiskussion von eineinhalb Stunden in der ersten Hälfte aus oftmals ziemlich langweiligen und nicht wirklich gut konzipierten Inputreferaten bestand; Referate, die teilweise gegen 25 Minuten dauerten - und das auf einem Diskussionspodium. Ich war zwar noch nie auf einer Konferenz, aber unter einer Podiumsdiskussion auf einer Konferenz mit dem Namen 'Urban Futures 2050' stelle ich mir etwas anderes vor als ermüdende und überzogene Referate zu erbrachten Projekten der Diskussionsteilnehmer. Leider war die jeweilige Moderation auch kaum je in der Lage, die Referenten vielleicht auch nur sanft in eine andere Richtung zu begleiten. Eine Ausnahme bildete dabei vielleicht eine meiner Geographieprofessorin an der HU Berlin, Ilse Helbrecht. Aber auch sie hatte zwei der Diskussionsteilnehmer leider irgendwie falsch verstanden und dachte, die beiden würden Gegenpositionen einnehmen, was sie meines Erachtens nicht taten. Egal.

Abgeschlossen wurde die Tagung durch ein Referat von Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / die Grünen. Sie will im September 2011 anscheinend Regierende Bürgermeisterin der Stadt Berlin werden. Ihre Vorstellung für das Berlin der Zukunft: eine Stadt für alle! Wählerfang, anyone? Herrlich.

Nun bereue ich den Besuch dieser Konferenz aus mindestens vier Gründen trotz oben genannter Probleme nicht: Erstens war es grundsätzlich interessant, einmal einer Konferenz beizuwohnen. Zweitens hatte ich erwartet, dass dort nur Halbgötter durch die Hallen wandeln und ich als unbedeutender Student ein möglicherweise läppisches Bild abgeben würde. Diese Erwartung wich der Erkenntnis, dass viele Leute nur mit Wasser kochen. Drittens hatten wir untereinander einiges zu diskutieren, was wesentlich spannender war als die meisten Beiträge. Und viertens: die Verpflegung war (bei 20 Euro Beitrag) wirklich ausgezeichnet.

Aber trotzdem: heute habe ich den Wirtschaftsteil der aktuellen Ausgabe der ZEIT gelesen. Dies dauerte ziemlich genau eine Stunde, und ich behaupte dabei mehr mitgenommen zu haben als in zwei Tagen 'Urban Futures 2050'. Zudem konnte ich dabei Fleet Foxes hören, was den Spielstand schon fast in ein entscheidendes 2:0 verwandelt. Mir gefällt aber immerhin sehr, dass zur Konferenz noch ein kostenloser Essayband erscheint. Der Band zu den "Szenarien und Lösungen für das Jahrhundert der Städte" (keine Garantie ob dieser Titel einhält was er verspricht oder doch eher einer Mogelpackung entspricht!) gibt es hier als PDF oder zum Bestellen als Print. Nächstes Mal gehe ich aber dann vielleicht doch eher auf die Marx-Konferenz, die ein paar Tage zuvor ebenfalls in Berlin an der HU stattfand. Ich glaube fast, dass man dort mehr über die Stadt 2050 hätte erfahren können. Kein Witz!