Sonntag, 26. Februar 2012

Treptower Klause


Unser Viertel Alt-Treptow ist, man muss es zugeben, wahnsinnig langweilig. Nichts geht hier; oder noch nicht, müsste ich sagen, wenn ich denn bei einem Trendmagazin arbeiten würde oder mein Blog für Szenemenschen schreiben würde. Treptow ist im Kommen! Jein. Denn trotz aller alternativ-kulturellen Ödnis bestätigen Ausnahmen die Regel. Und diese Ausnahme kennt man hier als Treptower Klause, ein kleines aber feines Restaurant an der Karl-Kunger-Strasse.


Gestern waren wir dort essen, und das ist eine Notiz wert wie ich zu meinen geneigt bin. Wann geht schon jemand in Treptow essen? Wann fährt jemand für Badeferien in die Schweiz? Eben, niemand, niemals. Solche Geschehnisse von der Art eines Schwarzen Schwans sind höchst bemerkenswert. Auch wenn es hier, übrigens und unter anderem, auch einen Mexikaner gibt, der meistens sogar ziemlich gut besucht ist. Aber ich vermute, dass die Gäste beim Mexikaner Vorstädter sind, die hier am Wochenende essen kommen und dann zu Hause erzählen, sie hätten sich ins Berliner Nachtleben gestürzt - in einem stilvoll mit Plastikpalmen eingerichteten Restaurant mit Cocktails für 2,40 Euro etwa. Das geht völlig in Ordnung, klar. Ich stehe sogar insgeheim ja auch auf Kitsch und Trash, aber die Erläuterung dieser zunehmend ans Tageslicht tretenden Neigung führt jetzt zu weit.

Die Treptower Klause wird im Internet von Gastrokritikern schon mal beschrieben als Enttäuschung - was das Interieur betrifft, wohl verstanden. Wahrscheinlich fehlen die Palmen. Uns gefiel sie ausgezeichnet, diese reduzierte aber nicht abweisende, klassische aber nicht spiessige Raumgestaltung. Dazu liess die Gastgeberin Jazzmusik ertönen; Jazz der sehr ansprechenden und ungefähr folgenden Sorte:


Ist dieses Jazzstück nicht himmlisch, by the way? Nun, nicht nur Interieur und Musik wussten zu gefallen, sondern ebenfalls die Kernkompetenzen eines Restaurants überzeugten uns: Küche und Service. Wir gönnten uns, zur Feier des Lebens würde ich sagen, zuerst Aubergineninvoltini mit Walnussfüllung, Ziegenkäse und Kirschtomaten. Als Hauptspeisen folgten einmal ein gebratenes Filet vom Kabeljau mit Beilagen sowie einmal das Gulasch vom Uckermärker Weiderind mit Kartoffelgnocchi. Für Nachspeisen hatten wir, trotz vernünftigem Preis-/Leistungsverhältnis (schreckliches Wort eigentlich!), kein Geld mehr.

Dafür liessen wir uns noch Wein kredenzen. Und damit kommen wir auch schon zur Güte des Service, denn wir liessen uns unsere Weine entsprechend der Hauptgänge empfehlen. Mir wurde zu meinem Gulasch ein sizilianischer Nero d'Avola, genannt Colosi, angeraten. Und dieser Wein: wundervoll! Ich habe mir gleichen Abends nach ein paar Gläsern Grappa noch ein paar Flaschen bestellt zum vorzüglichen Preis von 7,19 Euro pro Flasche. Ein Rotwein mit 90 Parker-Punkten für 7,19, das ist vermutlich einer der höchsten Return-on-Investments meiner noch jungen aber doch schon erfahrungsreichen Karriere als Investor. Lasse auch du dich beliefern, hier. In den deutschen Supermärkten kriegt man kaum vernünftigen Wein.



Auch abgesehen von der Weinempfehlung wusste der Service durch dezente Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und ein Mangel an Blasiertheit sehr zu gefallen. Nur zwei kleine Punkte würde ich ausgesprochen verhalten kritisch äussern wollen. Erstens würde, wie so oft in Deutschland, die Hälfte des Öls für die Vorspeise ausreichen. Gestern in der Klause war es bei weitem nicht tragisch; im Unterschied etwa zu letztem Frühling auf der Ostseeinsel Usedom, wo mir fast das Herz stehen blieb beim Anblick von in Öl ertrunkenem Fisch auf meinem Teller. Zweitens würde der Treptower Klause mit ihrem Stil meines Erachtens ein Fokus auf saisonale Produkte sehr gut zu Gesichte stehen. Klar: Paprika, beziehungsweise Peperoni wie ich sie zu nennen pflege, schmeckt gut und verleiht Farbe, aber ich persönlich mag es sehr, im Februar etwas der Jahreszeit entsprechendes zu essen und mich auf die sommerlichen Gemüsesorten zu freuen. Alles zu seiner Zeit. Aber das ist natürlich kein wirklicher Kritikpunkt, sondern eher ein Gedankenanstoss vielleicht.

Nichtsdestotrotz kann man in Treptow einen sehr schönen gastronomischen Abend verbringen!