Montag, 18. Juli 2011

Cityscapes: Cartagena






Die Fotos - aufgenommen von verschiedenen Fotografen - stammen von skyscrapercity.com.

Sonntag, 17. Juli 2011

Soziale Segregation in Berlin - Neukölln

Gestern war ich - wie das ab und zu der Fall ist - auf einer der wunderbaren elektronischen Berliner Openair-Parties. Die kleine aber feine Feierei fand versteckt in einem gewerblich-industriellen Hinterhof in Neukölln statt. Und wie ich auf dem Rad durch Neukölln fuhr und mit meinem Kumpel im arabischen City Chicken Restaurant ein halbes Hähnchen verdrückte und dabei Rai aus den Autos dröhnte, musste ich abermals über diese Stadt und den Stadtteil Neukölln staunen. Ich nehme dieses Staunen zum Anlass, in wahrscheinlich zwei Beiträgen etwas über die Stadtentwicklung in Neukölln zu schreiben. Den ersten Teil bildet die historische Entwicklung Berlins - mit Blick auf die Sozialstruktur und auf Neukölln, klar.

Im Studium wollte ich einmal der möglicherweise trivialen Frage nachgehen, inwiefern sich soziale Strukturen von heute durch die historisch-bauliche (und damit hintergründig natürlich auch politisch gestaltete) Stadtentwicklung 'erklären' lassen. Die Frage ist also: Kann ich aufgrund der Stadtentwicklung einfach nachvollziehen, weshalb Neukölln in der letzten Vergangenheit ein sozial so unglaublich schlecht gestellter und sozial segregierter Stadtteil wurde? Ich zeige nun zur ansatzweisen und vereinfachenden Beantwortung dieser Frage einige von mir in dilettantischer Art und Weise angefertigte Skizzen und ergänze diese durch begleitende Worte.

Wir beginnen im Mittelalter. Damals war Berlin klein, kompakt und fürs Mittelalter typisch in sich 'geschlossen'. Die Karte markiert diese Stadt als MA. Mit dem Aufstieg Berlins zur preussischen Stadt musste die Stadtstruktur geöffnet und erweitert werden. Dem Zeitalter entsprechend plante und realisierte der Hof eine barocke Residenzstadt (17. Jh), in der Karte als R gekennzeichnet. Damit, und insbesondere dann auch im 18. Jahrhundert mit Friedrich "dem Großen" und seiner Vorliebe für Potsdam (Karte: P) und Schloss "Sanssouci", entstand eine Berliner Westorientierung: Die Macht lag auf der Achse Zentrum - Westen.


In der Industrialisierung explodierte die Stadt bezüglich Einwohnerzahl usw.. James Hobrecht wurde mit der Planung der räumlichen und sozialen Stadtentwicklung beauftragt, was in der Entstehung der Berliner "Mietskasernenstadt" resultierte. So wurde um das vorindustrielle Zentrum herum der sogenannte "Wilhelminische Gürtel" gebaut; ein Ring von hoch verdichteten, kompakten Stadtvierteln: im von Großindustrie (GI), Industrie (I) oder Manufakturen (M) geprägten Norden, Osten und Südosten vor allem für die Arbeiterklasse und tendenziell mit Kleinwohnungen (KW); im vormals aristokratisch geprägten Süden, Westen und insbesondere Südwesten für das aufstrebende Bürgertum mit Großwohnungen (GW). Dazu kamen ausserhalb dieses Rings die großbürgerlichen Villenviertel (V), die wiederum keinem Ringschema mehr folgten, sondern an günstigen Lagen entwickelt wurden – vor allem wiederum im Südwesten, zwischen Berlin und Potsdam.


Diese Entwicklungsstufe bildete gewissermaßen die Basis. Im weiteren Verlauf der Geschichte kamen, da der zentrale Raum nun bebaut war, zunehmend Überprägungen dieser Basis und punktuelle Auflockerungen hinzu. Die strukturell wichtigsten waren einerseits die modernen Großwohnsiedlungen am Stadtrand und andererseits die Berliner Mauer.

Erstere (z.B. Gropiusstadt, Märkisches Viertel und Marzahn; in der folgenden Skizze ausserhalb des innerstädtischen Kreises/Rings liegend) waren in der Zeit ihrer Entstehung beliebte Wohnorte: nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele zentralere Häuser zerstört, beschädigt und/oder in der Folge aus v. a. ideellen Gründen massiv vernachlässigt worden. Dazu boten die neuen Wohnungen (am Stadtrand) mit Heizung etc. deutlich mehr Wohnkomfort und sie entsprachen ferner einem nicht zuletzt politisch motivierten Idealbild vom Wohnen am Stadtrand.

Die Mauer (Skizze: Mauerverlauf durch 'X' gekennzeichnet) wiederum als Grenze zwischen zwei miteinander konkurrierenden Gesellschaftssystemen bildete eine gewaltige Schneise quer durch die Stadt. In ihrer Umgebung schienen Investitionen und dergleichen aufgrund des nahen 'Feindes' vollkommen sinnlos. Ehemals zentrale Lagen wurden so plötzlich sehr peripher - nahe an der Grenze zu einer anderen, potentiell bedrohlichen Welt.

Was geschah also? Wer es sich leisten konnte oder in einer nun aufgrund der Mauer abgewerteten Gegend lebte zog in beiden Stadtteilen (!) oftmals in die neuen, für mehrere 10'000 Menschen gebauten Großwohnsiedlungen. Im Westteil wurden die innenstadt- und mauernahen Gebiete derweil zunehmend durch Arme, Alte und v. a. Ausländer - z. B. türkische 'Gastarbeiter' - bewohnt. Im Osten dagegen waren die räumlich gleich zu charakterisierenden Gebiete keine Ausländerquartiere, denn in der DDR gab es keinen Zustrom von Ausländern. Die innenstadt- und mauernahen Gebiete waren mit Ausnahme vom politischen Zentrum in Mitte vielmehr Gebiete für Alternative - die dem realsozialistischen System und seinen Umwälzungen hin zu den normierten Wohnungen am Stadtrand eher kritisch gegenüber standen - sowie für Menschen, die vielleicht gerne in eine neue Wohnung gezogen wären, diese aber aufgrund der staatlich gesteuerten Vergabe nicht erhielten. Zusammengefasst gab es nun aufgrund dieser städtebaulichen Veränderungen der Großwohnsiedlungen und der Mauer erhebliche Wanderungsströme: (untere) Arbeitermittelklasse geht raus, Arme und Alternative bleiben, Ausländer im Westteil kommen rein. Und so sah dann dementsprechend die mittlerweile kompliziertere Berliner Welt aus:


Nun kommen wir, ich verspreche es, zum Abschluss. Ich selbst würde nun aufgrund der oben genannten Ausführungen erwarten, dass, sagen wir 10-20 Jahre nach dem Mauerfall, insbesondere die Gebiete sozial am schlechtesten gestellt sind, die a) innerstädtisch im Westen nahe am ehemaligen Verlauf Mauer liegen und b) zu den ehemals nicht-aristokratischen und nicht-bürgerlichen Gebieten gehören. Dies wären dann die Stadtteile Wedding, Kreuzberg und Neukölln.

Schaut man sich die nachfolgende Karte des Berliner Sozialindex 2008 an, sieht man genau diese Stadtteile als dunkelrot gekennzeichnet; innerstädtisch ist sie soziale Lage tatsächlich dort besonders bedenklich, wo in der Skizze oben die KW-Gebiete links (also westlich) der Mauer liegen.

Wir sehen allerdings auch, dass nicht nur Neukölln - und Teile Kreuzbergs sowie der Wedding - tief dunkelrot gefärbt sind. Rote Farbe konzentriert sich auch am westlichen (Spandau) und östlichen Stadtrand (Marzahn). Dies wiederum ist meines Erachtens eine Folge der Jahre seit dem Mauerfall. Auf die unmittelbare Gegenwart und die Zukunft sowohl von Berlin als auch im Besonderen Neukölln komme ich dann jedoch in der Fortsetzung dieses Beitrags zu sprechen. Ich werde darin einerseits die Prognose aufstellen, dass Berlin zunehmend Paris ähnlich sein wird. Andererseits werde ich erklären, weshalb sich Neukölln meiner Meinung nach heute (2011) als Gebiet für Immobilieninvestitionen auszeichnet. Beides ist u. a. auf zeitgenössische Tendenzen im Städtebau zurückzuführen. Und die Tatsache, dass ich in Neukölln auf Openair-Parties gehen kann ist auch ein Indikator.

Cityscapes: Bangkok






Die Fotos - aufgenommen von verschiedenen Fotografen - stammen von skyscrapercity.com.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Sound of Berlin

Heute möchte ich jemandem recht geben. Ich stimme nämlich völlig zu, wenn Anja Schwanhäußer im Buch 'Der Sound der Stadt - Musikindustrie und Subkultur in Berlin' postuliert, dass Techno die "geeignete und privilegierte Form (ist), den Weiten des Ost-Berliner Stadtraums zu begegnen."

Ich pflege diesen Weiten glücklicherweise täglich zu begegnen. Es erscheint deshalb nur vernünftig, dass ich bei diesen Begegnungen auch auf die korrekte Form zurückgreife: Techno. Ich verstehe Techno in diesem Zusammenhang aber als Quelle eines Fluidums oder, in anderen Worten, als einen Erzeuger einer bestimmten Atmosphäre. Es geht hier also weniger um Techno als klanglich definierten Musikstil, sondern zuallererst um das schwierig zu beschreibende Fluidum, das ausgelöst wird.

Auf dieser Grundlage schliesse ich drei relativ unterschiedliche, mit Techno im engen Sinne bloss mehr oder weniger verwandte musikalische Kompositionen in meine Empfehlungen des Tages ein; Empfehlungen, wie man Ostberlin begegnen könnte. Gemein ist allen drei, dass sie a) von in Berlin lebenden Künstlern erschaffen wurden, b) absolut zeitgenössische Arbeiten darstellen und c) natürlich allesamt in der Lage sind, dieses Fluidum auszulösen.


1) ECM ist ein sehr renommiertes deutsches Musiklabel für insbesondere Jazz und weitere Musikrichtungen. Nun haben Ricardo Villalobos, der nun wirklich keiner Vorstellung bedarf, und Max Loderbauer (u. a. Mitglied im von mir geschätzten Moritz Von Oswald Trio) Neubearbeitungen einiger Stücke aus dem Backkatalog der Münchner produziert. Das Ergebnis ist natürlich sehr spannend und hörenswert. Und ja, auch das hängt für mich atmosphärisch in gewisser Art und Weise mit Techno zusammen.


2) Nick Höppner ist eine Hälfte von MyMy und stark involviert bei Ostgut Ton, dem, sagen wir mal, eng mit dem Berghain verknüpften Label. Beim Fact Magazine gibt es ein kostenloses und durchaus gefälliges Mixtape von ihm. Und was symbolisiert Ostberlin seit ein paar Jahren nachhaltiger als Berghain/Ostgut Ton? In Amerika, so habe ich munkeln gehört, sagt man nämlich nicht mehr "It's great!". Man sagt: "It's so berghain!" Läppisch, aber egal.


3) Wenn die Begegnung mit dem Stadtraum einem Driften entspricht, dann kann ich ganz besonders das neue Album von Bruno Pronsato empfehlen. Adjektive, die mir spontan in den Sinn kommen bei seiner Musik: elegant, rhythmisch, lässig, hypnotisierend, betörend. Ach was, egal: Driften einfach! Besonders schön wird es jeweils auch, wenn Ninca Leece zu hören ist. Ihr gemeinsames Album als Public Lover sollte meines Wissens übrigens auch bald einmal erscheinen. Dieses Album empfehle ich auch ungehört jetzt schon. Wer nicht warten kann: Public Lover Podcast bei Little White Earbuds!

P.S. Eindrücklich, wie man einfache Dinge kompliziert verpacken kann, nicht wahr? Ich hätte auch bloss sagen können: Dies sind meine drei musikalischen Empfehlungen, die meines Erachtens gut zum aktuellen Wesen Ostberlins passen. Aber dann verstehen es alle, und das kann nicht Sinn und Zweck sein in einer auf geistige Fähigkeit ausgerichteten Leistungsgesellschaft. Aber jetzt wird es schon wieder heikel. Abermals gute Nacht jetzt.

Montag, 4. Juli 2011

Mieten in Berlin

Anschliessend an meine Ausführungen zur Stadtentwicklung in Kreuzberg möchte ich heute einige Worte zu den Mieten in Berlin verlieren. Kürzlich wurde der Mietspiegel 2011 publiziert, worauf ich in diesem Post eingehen will. Nachfolgend deshalb einige Daten und Entwicklungen.

Berlin ist im Vergleich zu Köln, Hamburg, Frankfurt und München deutlich günstiger. Der Medianpreis für Mieten beträgt 6,38 Euro/qm (netto, kalt). Dies entspricht 53 % des Münchner Mietpreises, 61 % des Mietpreises in Frankfurt, 69 % des Hamburger und 75 % des Kölner Mietpreisniveaus. Der Mittelwert wiederum liegt bei 5,21 Euro/qm (netto, kalt).

Gesamthaft erstreckt sich der städtische Wohnungsmarkt von einem Einsteigepreis von unter 4 Euro/qm für einfache Wohnungen in eher schlechten Lagen bis zu 10 Euro/qm. In dieser Bandbreite liegt der Berliner Wohnungsmarkt wesentlich unter den oben erwähnten deutschen Vergleichsstädten. Auf der nachfolgenden Grafik kennzeichnet rot gute Wohnlagen, orange mittlere Wohnlagen und gelb einfache Wohnlagen:

Betrachtet man die Entwicklung über die letzten zehn Jahre, erkennt man eine annährend linear verlaufende Teuerung der durchschnittlichen Mieten.

Für das letzte Jahr galt ein Preisanstieg von durchschnittlich 4 %. Betrachtet man den Mietpreis von 4 Euro/qm für das Jahr 1999 als Grundlage, so liegen die Mieten heute - also 12 Jahre später - zirka 30 % höher. Zum Vergleich: Der Mietpreisindex der Stadt Zürich stieg im Zeitraum 2000 bis 2011 - also in elf Jahren - um 18 %. Schaut man genauer hin, so zeigen sich beträchtliche lokale und funktionale Unterschiede. So stiegen die Mieten in den guten Wohnlagen letztes Jahr um fast 11 % an. Besonders stark stiegen zudem die Mieten für Altbauten an, welche sich vornehmlich innerhalb des S-Bahn-Rings befinden:

Die Leerstandsquote in Berlin hat sich in der Zeit zwischen 2001 und 2010 auf 3 % halbiert. Zum Vergleich einige Städte in der Schweiz: Zürich 0, 07 %, Lausanne 0,2 %, Genf 0,25 %, Bern 0,45 %, Basel 0,8 %. Begründen lässt sich diese Entwicklung durch eine auf einem niedrigen Stand verharrende Neubautätigkeit und einen Anstieg der Anzahl der Haushalte von über 9 % zwischen 2000 und 2009. Die Folge: Das Angebot wird knapper und die Preise steigen. Immobilienexperten beobachten zudem, dass zunehmend Leute mit Geld nach Berlin kommen wollen. Der Immobilienmarkt brummt; die Stadt verfügt über das größte Potential in ganz Deutschland.

Wie in jeder Stadt sind aber auch in Berlin große lokale Unterschiede auszumachen, Lage matters! Dies sind bezüglich Miet- und Wertsteigerungen die Trendviertel der Stadt:

1. Charlottenburg (Westen, zentral, ruhig, viele Altbauten)

2. Mitte (sehr zentral, viele Attraktionen, teilweise Szeneviertel)

3. Prenzlauer Berg (zentral, viele Altbauten, ehemals Alternativviertel des Ostens)

4. Kreuzberg (Szeneviertel, zentral, dicht besiedelt, traditionell Alternative und Ausländer)

5. Friedrichshain (zentral, viele Altbauten, ehemaliges Arbeiterviertel des Ostens)

Es folgen Schöneberg, Neukölln, Tiergarten, Wilmersdorf und Wedding auf den weiteren Rängen. Mein Stadtteil liegt auf Rang 35 von 80 und ich glaube, dass es ein Spätzünder sein wird welcher abheben wird, wenn die anderen ihr Pulver verschossen haben. Gute Nacht allerseits.

Quellen: Senatsverwaltung Berlin, Tagesspiegel, Handelsblatt, Stadt Zürich